Annotation |
Eine große Entdeckungsreise nennt Hugo Portisch seine Analyse der Geschichte von "Österreich I", der Ersten Republik. "Österreich I", das war nicht das lebensunfähige Land, für das es so viele gehalten haben. Und Portisch macht in diesem Buch eine Reihe überraschender Feststellungen: Die Republik besaß eine bedeutend größere industrielle Kapazität, als ihr auf Grund ihrer Größe zukam; sie besaß mehr Bodenschätze als die meisten anderen europäischen Staaten und mehr potentielle Energiequellen, Wasserkräfte und Erdöl. In diesem kleinen Österreich waren mehr geniale Menschen tätig als vergleichsweise in irgendeinem anderen Land der Welt, was schon durch die große Zahl von Nobelpreisen bewiesen wird. Es war auch nicht die Kleinlichkeit und Engstirnigkeit der österreichischen Politiker, die sie in der Ersten Republik zur Konfrontation, ja in den Bürgerkrieg geführt hat, sondern ihr Drang, weit über die Enge des Landes hinaus große Ideen verwirklichen zu wollen, Leistungen für die Welt zu erbringen. Und Leistungen hat dieses Österreich und haben seine Menschen erbracht. Hier waren Mathematiker, Physiker, Chemiker und Techniker von Weltgeltung tätig und haben in ihren Bereichen von Österreich aus die Welt revolutioniert. Hier entstand gerade in der Zeit der Ersten Republik die Wiener Schule der Nationalökonomie, die heute noch die wirtschaftlichen Abläufe der Welt beeinflußt. Das Land war auch nicht so arm, wie man allgemein annahm: 1938 lagen in den Tresoren der Österreichischen Nationalbank Gold- und Devisenvorräte, die jene der Deutschen Reichsbank in Berlin um ein Vielfaches übertrafen. Warum die Menschen dieses ersten Österreichs ihre eigenen Chancen und Möglichkeiten nicht erkannten bzw. sie nicht ausschöpfen konnten, weshalb es zur Radikalisierung der politischen Lager kam, all das legt Portisch in seinem bekannt spannenden Stil in diesem Buch in faszinierender Weise dar. |